Welchen Einfluss haben Regelsysteme auf die Stabilität?

Antworten beziehen wir aus der Kybernetik. Die Kybernetik, deren Grundlagen von Norbert Wiener erarbeitet und 1928 vorgestellt wurden, beschäftigt sich mit der (systemischen) Fähigkeit von Systemen, Regelprozesse selbst auszuführen. Auf einer ersten Stufe wird der Anforderung, Gleichgewicht zu halten, entsprochen, während auf einer zweiten Stufe die Problemstellungen der Instabilität, der Flexibilität und der Evolution bewältigt werden.

Unternehmen brauchen beides: In laufenden Geschäftsprozessen müssen sie Stabilität halten, während sie unter veränderten Verhältnissen immer wieder neue Gleichgewichtskonstellationen finden müssen. Je komplexer ein System ist, desto nicht-linearer kann die Wirkung der Rückkopplungen seiner Ausgangsgrößen werden. Indirekte, also über Zwischenglieder auf die Eingangsgröße wirkende Rückkopplungseffekte können sowohl in unberechenbarer Form und Größe als auch zeitversetzt auftreten.

Eine wesentliche Erkenntnis der Kybernetik besteht darin, dass in komplexen Umfeldern bestehende Zustände nicht immer stabil aufrechterhalten werden können. Um ein System überlebensfähig zu halten, ist es erforderlich, Instabilitäten grundsätzlich zu akzeptieren, manchmal sogar Stabilitätszustände zu verlassen und dadurch Möglichkeiten zuzulassen, die Wege zu neuer (wiederum vorläufiger) Stabilität erschließen. Es geht also nicht um die Erhaltung eines bisherigen Zustandes, sondern um das Fortbestehen des Systems, der Organisation in einer geeigneten Konstellation. 

In dynamischen, komplexen Umfeldern können sich Systeme manchmal nur durch Loslassen vom Status quo weiterentwickeln und können nur dadurch überleben. Verschließen sich Systeme dieser Flexibilität, könnte die gewohnte Stabilität nur mit immer höherem Aufwand, quasi gegen die Natur des Umfeldes, erhalten werden, bis der Aufwand schließlich nicht mehr geleistet werden kann und das System aufgegeben werden muss.

Beispiel: Subventionen können neuen Technologien in Inkubationsphasen Rückenwind verleihen und die Wirtschaft mittel- bis langfristig stärken. Andere Subventionen können bestehende Systeme, die nicht (mehr) wettbewerbsfähig sind, stützen. Das hilft den Betroffenen nur vordergründig und der Wirtschaft im Ganzen gar nicht. Es bremst die Innovationsaktivität und verhindert Anpassungsprozesse. Wertvolle Zeit für Transformationen bleibt ungenutzt, bis weitere Subventionen nicht mehr möglich sind. Der Zusammenbruch obsoleter Strukturen wird lediglich verzögert, die Folgen oft verschlimmert.

Werden Sie sich bewusst, ob Sie ggf. in Ihrem Unternehmen Produktgruppen quersubventionieren. Sehen Sie aufmerksam hin, was diese Subvention mit Ihrem Unternehmen macht, ob sie Ihr Unternehmen bereits von innen aufzehrt, Motivationsverlust hervorruft, gute Mitarbeiter und andere wertvolle Ressourcen in Geschäftsfeldern bindet, die nicht existenzfähig sind.

Sehen Sie sich zur Beurteilung der Qualität Ihres Geschäftes in jeder Produktgruppe die Deckungsbeiträge und die Kosten an. Vielleicht werden Sie von Erkenntnissen überrascht, die für Sie bislang nicht offensichtlich waren. Sehen Sie sich dann an, ob Sie nicht-profitable Produktgruppen, vielleicht aus strategischen Gründen, wirklich weiterhin halten möchten. Und jetzt kommt das Wichtigste: Jede Erkenntnis, die nicht in Entscheidungen und Umsetzungen mündet, ist vergeblich. Handeln Sie! Kappen Sie Verlustbringer oder bringen Sie sie zurück in den profitablen Bereich, indem Sie kreativ werden.

Beispiel: Bei der Analyse eines deutschen, im Konzernverbund arbeitenden Kunststoffverarbeiters, der sich in einer akuten wirtschaftlichen Krise befand, wurde deutlich, dass viele Artikel an manche Kunden mit Verlust verkauft wurden. Die erste Reaktion des Finanzmanagements in der angelsächsischen Muttergesellschaft darauf war, diese Artikel nicht mehr zu produzieren („cut-the-tail“). Bald wurde deutlich, dass das Angebot dieser Artikel eine Voraussetzung dafür war, andere rentable Artikel verkaufen zu können. Sie sollten also nicht einfach gekappt werden. Das Problem lag im Vertrieb, der die Kunden nicht einmal darum gebeten hat, die Preise für diese Artikel anzuheben. Also erklärte man den Kunden die Situation mit diesen Artikeln und bat sie darum, die Preise für diese Artikel deutlich anheben zu dürfen. Überraschenderweise war das in vielen Fällen überhaupt kein Problem. In anderen Fällen erzielte der Operations-Bereich eine Kooperation mit anderen Verarbeitern, die für diese Artikel passendere Maschinen zur Verfügung hatten, und bezog die Artikel spürbar günstiger als sie selbst hätten gefertigt werden können.

Sie konnten im Handelsgeschäft zumindest ohne Verlust an Kunden durchgereicht werden. Den Kunden konnte eine Lösung geboten werden. Wieder andere Artikel konnten auf Ausweichartikel umgestellt werden. Nur in wenigen Fällen, die auch strategisch ohne Belang waren, mussten die Artikel eingestellt werden. Ein beachtlicher Teil der Verluste konnte durch die Umsetzung dieses Maßnahmenbündels vermieden werden.

Die Kybernetik bietet Methoden an, Systeme mit wirksamen Regelmechanismen zu versehen, so dass sie sich auch bei Einwirkung von Störgrößen im Gleichgewicht halten und weiterentwickeln können. Funktioniert die Regelung ohne Intervention von außen, haben wir eine Selbstregelung erreicht. Selbstregelmechanismen, die innerhalb eines angemessenen Regelwerkes greifen, machen es sogar möglich, große Organisationen effektiv zu führen, die nur indirekt führbar sind. Aus systemischer Sicht besteht deshalb die eigentliche Führungsaufgabe darin, Organisationen mit Selbstregelungsfähigkeiten zu versehen. Um diese anspruchsvolle Managementaufgabe bewältigen zu können, müssen sich Manager mit der Wirkungsweise von Regelsystemen vertraut machen.

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