Die indische Mentalität

Indien ist ein Land, dessen Wirtschaft sich im 21. Jahrhundert schnell entwickelt hat. Auch der Umgang miteinander in Unternehmen hat sich komplett geändert. Während indische Unternehmen noch vor wenigen Jahrzehnten autoritär geführt wurden, ist mittlerweile zumindest im Norden Indiens ein partizipativer Führungsstil eingezogen.

Inder gehen äußerst aufmerksam miteinander und mit ausländischen Geschäftspartnern um. Sie achten auch laufend darauf, wie andere miteinander umgehen. Ein schroffer Ton ist in Indien fehlplatziert.

Werte wie Ehrlichkeit, Loyalität und Vertrauen sind in Indien schon als Basisabsicherung wichtig, denn in Indien gibt es keine Krankenkassen, keine Rentenversicherung und keine Arbeitslosenversicherung. Inder möchten auf jeden Fall vermeiden, „ihr Gesicht zu verlieren“.

Der hinduistische Glaube ist für die meisten Inder nicht mehr so wichtig, auch wenn sie ihn nach außen hin praktizieren. Aber die hinduistische Tradition schwingt natürlich auch heute noch mit. Das traditionelle indische Kastendenken wird zwar nicht mehr offen gezeigt, ist bei Indern aber immer noch verankert. Inder werden von dem Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung getrieben, weniger von individueller Freiheit. Dafür müssen sie aufsteigen. So haben sie zwar keine großen persönlichen Ansprüche, streben aber nach beruflichem Erfolg und Mitgliedschaft in höher gestellten Gemeinschaften. Dafür setzen sich Inder ein. Ihren Erfolg zeigen sie besonders durch ihre Kleidung, die oft mit vielen goldfarbenen Applikationen besetzt ist, und durch ihre Beziehungen. Freunde im Ausland zu haben, hebt das Ansehen von Indern.

Insbesondere junge Inder möchten keine einfachen Arbeiten in der Landwirtschaft oder in Fabriken verrichten, sondern tun alles, um einen Arbeitsplatz in einem klimatisierten Büro zu bekommen und zu behalten. Die Software-Entwicklung hat sich in Indien als eine Tätigkeit für internationale Konzerne herausgebildet. Immer mehr junge Inder studieren an Universitäten.

In der Kommunikation mit Vorgesetzten und Kunden sind Inder sehr vorsichtig und wirken manchmal wenig souverän. Das liegt vor allem daran, dass Inder auch heute noch in der Schule zu Gehorsam erzogen werden und kaum lernen, eine eigene kritische Meinung zu bilden und sie zu kommunizieren. In Indien wird auch eine Altershierarchie gelebt. Jüngere werden Älteren kaum widersprechen. Ältere Menschen erfahren in Indien höchsten Respekt und werden von jüngeren Familienmitgliedern selbstverständlich versorgt. Der Familienzusammenhalt ist Indern wichtig. Beispielsweise nehmen Inder Urlaub von der Arbeit vor allem, um Familienmitgliedern zu helfen. Eine Urlaubskultur wie in Mitteleuropa ist Indern weitgehend unbekannt.

Eine Sprachbarriere tritt im Austausch mit Indern kaum auf. Sie lernen schon früh in der Schule Englisch, und viele Inder kommunizieren auch an ihrem Arbeitsplatz in englischer Sprache. An den oft starken Akzent muss man sich allerdings gewöhnen. Inder sprechen gern leise und fassen sich oft sehr kurz. Kommuniziert wird auch oft allein durch den Austausch von Gesten, ohne Worte zu wechseln. Laute Stimmen stören Inder. Inder meiden direkte Antworten. Inder antworten ungern mit „nein“ oder „ja“. Sie weichen aus und bleiben gern flexibel. Auch in der Mimik und in der Gestik zeigen Inder diese Neigung, sich immer Möglichkeiten offen zu halten. Das Hin- und Herwackeln mit dem Kopf ist ein Ausdruck der Zustimmung und gleichzeitig einer gewissen Unverbindlichkeit. Ein kurzes Zucken mit dem Kopf bedeutet „nein“. Höflichkeitsäußerungen durch „bitte“, „danke“ oder „Entschuldigung“ sind in Indien nicht üblich.

Inder planen nicht perspektivisch in die Zukunft. Das äußert sich auch in der Terminvereinbarung. Wenn mit Indern fest vereinbarte Termine kurzfristig abgesagt werden, ist das nicht ungewöhnlich. Inder konzentrieren sich auf das „Jetzt und Hier“. Das Leben ist gekennzeichnet von Veränderungen, auf die sich Inder unmittelbar einstellen. Spontaneität und Anpassungsfähigkeit sind besondere Charakterzüge der Inder. Sie sind auch viel gelassener als Deutsche. Wenn Probleme auftreten, ist es für Inder am wichtigsten, Ruhe zu bewahren. Sie gehen Problemlösungen nicht sofort an. „Chalta Hai“ („Das wird schon werden.“) ist ein Ausdruck indischer Lebensphilosophie. Wie groß ein Problem ist, liegt in Indien nicht am Problem, sondern daran, wie man mit dem Problem umgeht. Auch in schwierigen Zeiten läuft das Leben ruhig weiter. Das indische „no problem“ drückt die gelassene Art und Weise der Inder treffend aus. Termine und Fristen werden kaum eingehalten. Daran müssen sich Deutsche gewöhnen, wenn sie Probleme mit hoher Effizienz lösen möchten. Sie werden die Art der Inder nicht verändern.

In Kaufprozessen wird immer um den Preis gefeilscht, privat und geschäftlich. Korruption ist in Indien weit verbreitet. Schmiergeld wird für öffentliche Genehmigungen und für die Auftragsvergabe fast selbstverständlich erwartet, aber das Thema muss feinfühlig angesprochen werden.

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